Umfragen belegen, Patientinnen und Patienten wünschen ein Miteinander von konventioneller Medizin und ergänzenden Verfahren aus Naturheilkunde, Homöopathie und traditionellen Heilmethoden. Kranke Menschen sind nicht Opfer ihrer Krankheit und des zuständigen Medizin-Betriebes, sondern selbst-bewusste Akteure auf ihrem Weg zur Wiederherstellung von Gesundheit. Das Recht auf Mitsprache und Mithandeln braucht den Schutz des Staates ebenso wie den Respekt all jener, die im Gesundheitswesen Verantwortung tragen.
Die enormen Errungenschaften und Möglichkeiten der konventionellen Medizin stehen außer Frage! Andererseits sind die Erfahrungs-Schätze traditioneller Heilweisen oder der Homöopathie nicht weniger wertvoll. Es ist Aufgabe verantwortungsvoller Ärzt*innen, Leitlinien zu kennen und zu berücksichtigen. Es ist aber auch die besondere Herausforderung und manchmal die Kunst, ergänzende Therapieoptionen geschickt und mit Blick auf die Patientensicherheit gezielt auszuwählen und ihre Wirkung aufmerksam zu begleiten und sorgfältig zu dokumentieren.
Vertreter*innen der konventionellen Medizin zeigen oft kein Verständnis für Heilweisen, die jenseits dessen angesiedelt sind, was die eigene berufliche Biografie ihnen als plausibel oder „gesichertes Wissen“ zuwachsen ließ. Andererseits gibt es Kolleg*innen, die „alternativ“ unterwegs sind und ihr „schulmedizinisches“ Wissen wenig wertschätzen oder gänzlich ignorieren. Aus beiden Lagern entwickeln sich unter Umständen Tendenzen der Spaltung. Patient*innen leiden dann doppelt: zum einen unter ihren Krankheiten und zum anderen, weil ihre Ärzte offenkundig nicht bereit oder in der Lage sind, aufeinander zuzugehen und den therapeutisch besten Kompromiss zu suchen und womöglich zu finden.
Diese Spaltung muss ein Ende finden! Die Würde des Menschen ist unantastbar, somit auch die Würde jedes einzelnen Patienten. Demgegenüber sollten sich Ärztinnen und Ärzte aus allen Lagern darauf besinnen, was sie besonders gut können, aber auch darauf, wo ihre Grenzen liegen. Aus solcherlei Selbstreflexionen kann der Wunsch erwachsen, Brücken zu bauen, statt Bestehendes zu zerstören (und z.B. die Homöopathie eliminieren zu wollen).
Integrieren ist wie der Brückenbau eine Leistung von Wille und Geist. „Material“ und Voraussetzung für eine tragfähige Brücke Integrativer Medizin ist dabei vielgestaltig:
- Als „Brückenköpfe“ dienen solide Fundamente akademischer Ausbildung in Verbindung mit gewachsener Erfahrung
- Die Verknüpfung von kausalanalytischem mit ganzheitlichem und phänomenologischem Denken und Wahr-Nehmen spannt den Bogen zwischen den Brückenköpfen
- Halt erhält die Konstruktion im Austausch zwischen den einzelnen ärztlichen Fachdisziplinen untereinander und mit den Kolleg*innen der verschiedenen komplementärmedizinischen Disziplinen
- Wir verknüpfen objektive Fakten und Befunde mit subjektivem Befinden und individuellem Erleben
- Wir hören den Patient*innen zu, reflektieren was wir verstanden haben, tauschen uns mit Kolleg*innen und Therapeut*innen aus, stellen ergänzende Fragen, klären auf und beraten, sprechen mit Kranken in patientengerechter Sprache und halten hin und wieder inne um zu erkennen, ob Worte oder Rat auch tatsächlich angekommen sind und angenommen wurden.
Homöopathisch tätige Ärzt*innen können das nicht besser oder weniger gut als ihre Fachkolleg*innen aus anderen Disziplinen, aber sie können gar nicht anders, weil sie es im Rahmen ihrer homöopathischen Ausbildung genauso gelernt haben und es in ihren Praxen auch so Tag für Tag umsetzen. Kommt dann noch jahrelange Praxiserfahrung hinzu, dann lässt sich ein ubiquitärer Placebo-Effekt meist von einer erwünschten Arzneiwirkung sicher unterscheiden. Auch solche Erfahrungen teilen homöopathische Ärzt*innen gerne mit Anderen. Dazu müssen sich die Kolleg*innen aber auf der Brücke der Integrativen Medizin begegnen, am Besten in der Mitte der Brücke, wo Aussicht und Überblick am besten sind. Wie kommen wir in die Mitte der Brücke? Einfach losgehen!