München, 6. Oktober 2022. Kommentar von Dr. med. Ulf Riker, Internist und 1. Vorsitzender des DZVhÄ-Landesverbandes Bayern, zu den Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im SPIEGEL.
Schon vor mehr als 10 Jahren hat Lauterbach gegen Homöopathie gekämpft. Jetzt steht er im Zusammenhang mit seinem fragwürdigen Pandemie-Krisenmanagement selbst in der Kritik, das Vertrauen in Entscheidungen des Gesundheitsministers schwindet, wie eine Umfrage des SPIEGEL (11.4.22. Spiegel – Umfrage: „Mehrheit der Deutschen hat Vertrauen in Coronapolitik verloren“) bereits im April dieses Jahres festgestellt hat.
Nun ist es wiederum ausgerechnet der SPIEGEL, der in einem aktuellen Podcast dem Minister zur Seite springt und ihm hilft, von den eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken, indem Homöopathie als Kassenleistung in Frage gestellt wird! Als hätten wir im Herbst 2022 keine anderen, wichtigeren Probleme! Zum Beispiel folgende:
Kinderstationen und Kreißsäle: die von Lauterbach wegen des Systems der Fallpauschalen mit zu verantwortenden Defiziten führen zu Mangelversorgung ausgerechnet der jüngsten Patienten, um deren Wohl und ihre (und unsere!) Zukunft wir uns doch die größten Sorgen machen sollten! Oder die folgende Tatsache: ca. 40 Prozent aller Kliniken sind in Deutschland in der Hand börsen- und damit gewinnorientierter Gesundheitskonzerne, keine Kleinigkeit für einen SPD-Minister, dies der Öffentlichkeit zu erklären. Oder das Problem von viel zu wenigen, weil nicht leistungsgerecht bezahlten Pflegekräften bei gleichzeitig steigenden Fallzahlen. Oder, wie die ZEIT kürzlich – das Deutsche Ärzteblatt zitierend – feststellte: die Amputationsrate sei in Deutschland ein „Desaster“, weil theoretisch der Erhalt von Gliedmaßen in vielen Fällen möglich sei, sich aber in der Praxis nicht rechne. Oder das Problem der dramatisch zunehmenden Antibiotikaresistenzen…. oder ….
Also, Herr Lauterbach, man kann es ja menschlich nachvollziehen, dass Sie sich zur Ablenkung ein Themenfeld suchen, bei dem das Risiko gering ist, auf die Nase zu fallen. Dabei ist die veröffentlichte Meinung zum Thema Homöopathie bekanntermaßen nicht identisch mit der öffentlichen Meinung! Aber hinzu kommt noch Folgendes:
- Sie negieren notorisch, dass es gerade in den letzten 10 Jahren Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit der Homöopathie – über Placebo hinaus! – gibt und gab. Warum messen Sie hinsichtlich Wissenschaftlichkeit bei konventioneller Medizin und Homöopathie mit zweierlei Maß?
- Ihre Entscheidung würde geradewegs in eine Zweiklassenmedizin führen, obwohl die Integrative Medizin unter Einbezug der Homöopathie inzwischen auch von ausgewiesenen Experten als sinnvoll und hilfreich erachtet wird. Also: die einen können sich leisten, was ihnen im Krankheitsfalle wichtig ist, die anderen können dies nicht mehr, obwohl sie eigentlich dieselben Rechte haben müssten. Wie kann ein SPD-Minister das wollen?
- Eine EU-Bio-Verordnung nennt Homöopathie im Sinne der Antibiotika-Einsparung als first-line-Therapie bei Nahrungsmittel-liefernden Tieren, also z.B. bei Schweinen und Rinder. Warum sollte es eigentlich den Tieren „besser“ gehen als den sie verzehrenden Menschen?
- Ihre Position als Gesundheitsminister ist demokratisch legitimiert. Was aber legitimiert eine längerfristige Einschränkung oder auch Elimination der Bürgerrechte auf freie Therapiewahl, wenn Homöopathie ex cathedra des Ministers aus der Reichweite mündiger Bürgerinnen und Bürger gerückt werden soll? Vermutlich stimmen Sie der Überlegung sogar zu, dass die Kostenfrage (0,03 % der Leistungen im GKV-Bereich!) nicht das entscheidende Argument sein kann, weshalb man sich nun in prinzipielle Überlegungen flüchtet: die Solidargemeinschaft – also die Menschen in unserem Lande – sollen nicht für etwas bezahlen, was zwar nachweislich hilft (und auch Kosten spart, denken Sie bitte an die hohe Zahl kostenneutraler Selbstbehandlung, wie sie bei Homöopathie-Nutzern üblich ist!), was aber eben nicht sein kann und daher auch nicht sein darf, weil das Wirkprinzip eben noch unklar ist. Damit wird das Kind mit dem Bade ausgekippt, weil Ihnen die vorurteilsfreie Gelassenheit fehlt, wissenschaftliche Entwicklungen z.B. im Bereich der Grundlagenforschung zur Homöopathie überhaupt wahrnehmen zu wollen.
- Ihre prinzipiellen Erwägungen in allen Ehren, aber Krankheiten werden nicht durch Prinzipien gelindert oder geheilt. Das erledigen qualifizierte Ärztinnen und Ärzte mit Praxisbezug und Erfahrung. Und Homöopathie ist eine erfahrungsbasierte und mehr denn je wissenschaftlich untermauerte Behandlungsoption, die in ärztlicher Hand und individuell wohl abgewogen nicht gefährlicher ist als jede andere Therapie der konventionellen Medizin!
Herr Lauterbach, bitte kümmern Sie sich um das, was nottut, und nicht um das, was Patient:innen und Ärzt:innen in täglicher Praxis alleine und ohne ministerielle Einmischung verantwortungsvoll und auf Basis von Vertrauen selbst entscheiden können!
Dr. med. Ulf Riker, Internist, 1. Vorsitzender DZVhÄ-Landesverband Bayern