Eine Rezension von Dr. Ulf Riker
„Ad hominem“ – Reaktionen auf die beiden bekannten Autoren ( z.B. „Arroganz im Blick und Eitelkeit auf der Zunge“ bei: youtube- „Bosetti will reden“) rutschen bereits an der Oberfläche des Themas ab und verfehlen bei Weitem das Kernthema: ist vielleicht die „Mediokratie“ selbst daran schuld, dass Deutschland ein Problem mit der gefühlten Meinungsfreiheit hat? Der Befund: Medien reagieren in Krisenzeiten verstärkt mit Polarisieren, Simplifizieren, Moralisieren, mit Diffamieren und autoritärem Gestus. Precht und Welzer analysieren die amtierenden Leit- und Massenmedien anhand ihres Umganges mit drei der dicksten Krisen der jüngeren Vergangenheit: der Migrationskrise, der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Dabei vermissen sie vor Allem den „wohlmeinenden Streit“ und beklagen das unmittelbare, z.B. von Twitter übernommene unmittelbare Ausgrenzen, Personalisieren und pushen von Erregungskurven. Das „Schwarmverhalten“ der Leitmedien und ihr oft zutage tretender moralischer Rigorismus wird, wenn Pluralismus verhindert und Meinungen monopolisiert werden, zu einer Gefahr für eine freiheitliche Demokratie. Es geht den Autoren nicht um pauschale Medienschelte, sondern darum, twitterartige Skandalisierungen zu vermeiden, neben pointierten Pro- und Contra-Positionen immer auch noch eine „Dritte Position“ gelten zu lassen und „Anstand und Maß“ zur Geltung zu bringen.
Homöopathie kommt in dem Buch nicht vor. Aber viele Aspekte des jüngeren Diskurses rund um Homöopathie werden – wir kennen es alle nur allzu gut! – nach den erwähnten ähnlichen Mustern der Vereinseitigung von veröffentlichter Meinung auf den Markt geworfen. Deshalb kann es auch für unser eigenes soziales „Immunsystem“ wichtig sein, die Mechanismen zu verstehen, mit denen Mehrheitsmeinungen gemacht werden, auch wenn sie keine sind.
Zur Vertiefung und besseren Kennenlernen des Hintergrundes für das Buch empfehlen wir die NDR-Sendung: „Die vierte Gewalt“: Precht und Welzer über „Meinungsmache der Leitmedien“.
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- Verlag S. FISCHER, 288 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-10-397507-9
- erschienen im September 2022