München, 27. März 2023. Kommentar von Dr. med. Ulf Riker, Internist, 1. Vorsitzender des DZVhÄ-Landesverbandes Bayern, zur Homöopathie-Placebo-Debatte – Teil 2.

Im Februar habe ich erklärt, dass Homöopathie – gäbe es nur seine ihr unterstellte Placebowirkung – dennoch mehr wäre als gar keine Therapie. Der Grund: auch ein Placebo kann eine wirksame Therapie sein, also ohne Zweifel mehr bewirken als gar keine Behandlung!

Viel mehr: Homöopathie wirkt über den Placebo-Effekt hinaus!

 Grundlagenforschung

Pflanzen haben in der Homöopathie-Forschung den Vorteil, dass Placebo-Effekte als ausgeschlossen gelten können. In einer inzwischen reproduzierten Labor-Studie wurden Wasserlinsen durch Arsen geschädigt mit der Folge von Störungen des Wachstums sowie ihrer Morphologie. Die vorgeschädigten Wasserlinsen entwickeln unter „Behandlung“ mit homöopathisch zubereitetem Arsen (Arsenicum album D 17 bis D 33) eine signifikante Verbesserung der Wachstumsrate im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die nur mit „Wasser“ behandelt wurde.

Weitere Informationen im HRI-Video zum Wasserlinsenexperiment

Versorgungsforschung

Randomisierte, (placebo)kontrollierte Studien (RCT`s) gelten zu recht als Goldstandard der klinischen Forschung, sind aber nur eingeschränkt auf den klinischen Alltag übertragbar. Versorgungsforschung untersucht dagegen die Wirksamkeit von Therapien unter Praxisbedingungen. Sie gibt darüber hinaus Aufschluss über sozialmedizinische und gesundheitsökonomische Aspekte.

Die bekannte EPI3-Kohortenstudie hat im Zeitraum 2012 – 2016 ca. 8500 Patientinnen und Patienten mit und ohne homöopathische Behandlung untersucht. Alltagsrelevante Indikationen waren Erkrankungen der oberen Atemwege (Kinder und Erwachsene), Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems (z.B. rheumatoide Arthritis) sowie Depressionen und Angststörungen. Ergebnisse: „Homöopathie-Patient:innen“ zeigen relevante klinische Verbesserungen und einen Zugewinn an Lebensqualität. Die positiven Behandlungseffekte liegen in derselben Größenordnung wie bei der konventionellen Therapie, gleichzeitig zeigen sich signifikant weniger Nebenwirkungen, die Verordnungshäufigkeit von Antibiotika, Schmerzmitteln und Antidepressiva ist im Durchschnitt um 50 % reduziert, und das Ganze bei gleichzeitiger Kosteneinsparung.

Weitere Imformationen zur EPI3 Studie erhalten Sie hier.

Klinische Studien

Bei Frauen ist das Prämenstruelle Syndrom (PMS) eine häufige Therapieindikation. Es gibt etliche homöopathische Arzneien, die sich bei diesen Beschwerden bewährt haben. In einer randomisierten Doppelblind-Studie erhielten 105 Frauen entweder Placebo oder eine von 14 zuvor wegen ihrer klinischen Relevanz vorausgewählten homöopathischen Arzneien. Frauen, deren Symptombild zu den vorher festgelegten Arzneien passten, wurden in die Studie aufgenommen. Die Beschwerdeintensität wurde mittels eines standardisierten Scores gemessen. Das Ergebnis: Die Symptombesserung war in der Homöopathie-Gruppe signifikant höher als in der Placebo-Gruppe.

Weitere Informationen zu dieser Studie erhalten Sie hier.

Es gibt heute noch weitere, auch aktuelle wissenschaftliche Arbeiten, die eine Wirkung von Homöopathie über den Placebo-Effekt hinaus belegen. Diese Ergebnisse zeigen, dass weitere hochwertige Forschung und die entsprechende finanzielle Unterstützung notwendig sind. Wissenschaftliche Neugier und eine von weltanschaulichen Aspekten freie und unvoreingenommene Berichterstattung sind wichtige Grundlagen für einen ergebnisoffenen Diskurs. In einem Gesundheitssystem, das gekennzeichnet ist von sich überlagernden Krisen wie die zunehmende Antibiotika-Resistenzentwicklung erfordert ein Umdenken. Die EPI3-Studie hat hier positive Zeichen gesetzt. Eine Studie am Klinikum rechts der Isar in München, „Homöopathie bei chronisch rezidivierenden Harnwegsinfekten der Frau“ soll hier weiteres Datenmaterial generieren, um die Wirksamkeit von Homöopathie als Alternative zu Antibiotika bei dieser Indikation zu untersuchen.

„Nichts ist besser als gar nichts“ – Teil 3 folgt demnächst.

Es wird darum gehen, dass und wie homöopathisch qualifizierte Ärzt:innen in der Praxis erkennen können, ob es sich beim Patienten im konkreten Einzelfall um eine Placebo- oder eine homöopathische Arzneireaktion handelt.

„Nichts ist besser als gar nichts“ – das Zitat stammt vom Dramatiker, Dichter, Maler und Schauspieler Herbert Achternbusch. Claudia Roth, Kulturstaatsministerin, würdigte ihn aus Anlass seines Todes vor einem Jahr als „Heimatkünstler im allerbesten Sinne“, und die „Augsburger Allgemeine“ nannte ihn damals in einem Nachruf einen, der „die begradigten Gehirne“ durchspült. Ob er der Homöopathie positiv, kritisch oder ablehnend gegenüber stand wissen wir nicht. Aber in Bayern dürfen wir uns auf den gebürtigen Münchner berufen, wenn es darum geht, etwas Sediment aus den Hirnwindungen mancher Zeitgenossen zu spülen.