München, 20. April 2023. Das Kunstwort „PLURV“ setzt sich zusammen aus den Anfangsbuchstaben von fünf verschiedenen Methoden, um im wissenschaftlichen Kontext falsche Informationen zu verbreiten. P steht für Pseudoexperten, L für Logische Trugschlüsse, U für Unerfüllbare Erwartungen, R für Rosinenpickerei, V für Verschwörungserzählungen.

Kommen wir zum „P“: Es steht für Pseudo-Experten!

Zunächst die Frage: wer ist eigentlich ein Experte? Vom dänischen Physiker Niels Bohr stammt der Satz. „Ein Experte ist jemand, der in einem begrenzten Bereich schon alle möglichen Fehler gemacht hat“. Man gewinnt also Expertise, wenn man sich in einem bestimmten Bereich auskennt und dabei auch aus Fehlern zu lernen bereit ist.

Schauen wir uns vor diesem Hintergrund die mutmaßliche Expertise von Udo Endruscheit an. Er ist einer der Köpfe der Anti-Homöopathie-Bewegung, hat Verwaltungswissenschaft studiert, war in der Stadtverwaltung Essen beschäftigt und bekennt: „Eine medizinische Fachausbildung habe ich nicht – aber braucht man die als Kritiker der Homöopathie? Ich denke: Nein“. Immerhin sei er dank seiner Tätigkeit mit einem „Gespür für Logik und Zusammenhänge ausgestattet“. Frage: welche Stadtverwaltung würde einer Person eine leitende Funktion übertragen, wenn diese Person keine entsprechende Kenntnis, aber immerhin ein „Gefühl“ für Verwaltungsabläufe hätte? Eben!

Die Debatte rund um Homöopathie hat Pseudo-Experten hervorgebracht, die von medizinischer und erst recht homöopathischer Praxisrealität keine Ahnung haben. Ohne Verantwortung für kranke Menschen übernehmen zu müssen stilisieren sie  sich in ihrer weltanschaulich geprägten Bubble zu „Experten“ und babbeln reichlich theorielastigen Unfug ohne jeglichen Selbstzweifel und ohne die geringste Schamesröte. In einer Gesellschaft, in der es von Hobby- Fußball-Trainern wimmelt, in der die angeblich sozialen Medien jedem Unfug und sämtlichen niedrigen Instinkten eine Plattform bieten und in der einschlägig bekannte Gruppen auf Demonstrationen völlig unbehelligt von „Diktatur“ schwadronieren dürfen: in einer solchen Gesellschaft könnte man natürlich abwinken und darauf hinweisen, dass es da auf ein paar Querköpfe mehr oder weniger auch nicht mehr ankommt. Kommt es aber doch: denn hier geht es um Menschen und ihren freien Willen, um Krankheit und deren bestmögliche Behandlung, und es geht um Ärzte, die – im Gegensatz zu Verwaltungsangestellten – sich dem Eid verpflichtet fühlen, Kranken nicht zu schaden.

Und es geht um Respekt! Ein weiterer Protagonist der Anti-Homöopathie-Bewegung ist der emeritierte Prof. Ernst, der schon mal den neuen britischen König als „König der Quacksalber“ verhöhnt, weil er „hirnrissigen“ Ideen anhänge. Ärzte, die sich jenseits der reinen Lehre der konventionellen Medizin betätigen bezichtigt er schon mal des „Betruges“ am Patienten. Die Wiener Ärztekammer fragt Ernst allen Ernstes (!), ob sie „den Verstand verloren“ habe, weil sie eine Fortbildung „Ärztliche Homöopathie bei Post- und Long-Covid“ angeboten hat. Wohlgemerkt: bei diesen inzwischen häufigen und mitunter schweren Krankheitsverläufen hat die konventionelle Medizin selbst noch nicht allzu viel anzubieten, was sich evidenzbasiert bewährt hätte. Ist es da nicht zynisch, aus rein dogmatischen Motiven diesen Patientinnen und Patienten eine komplementäre Therapie mit Homöopathie verweigern zu wollen?

Kein Wunder: die angebliche Expertise im Bereich Homöopathie hat sich Ernst in seinen jungen Berufsjahren anlässlich einer Tätigkeit im Münchner Krankenhaus für Naturheilweisen erworben. Diesen Aufenthalt beschreibt er rückblickend als „Job“ (wohl dem, der im Krankheitsfalle einen Ärzt:innen findet, die ihre Tätigkeit vielleicht eher als ernsthafte Aufgabe und nicht nur als „Job“ wahrnehmen!). Aber vielleicht war er auch schon durch das Medizinstudium irgendwie überfordert, wenn er davon spricht, man sei wegen des zu bewältigenden Stoffes „gar nicht zum denken“ gekommen?

Am Anspruch von Niels Bohr jedenfalls scheitern die beiden Anti-Homöopathie-Kämpfer krachend: ohne konsequente fachliche Ausbildung und eigene praktische Erfahrung kann man auch keine Fehler machen, aus denen man hinterher lernen könnte. Wahre Expertise entsteht so jedenfalls nicht! Bleibt also nur ein Dasein als Pseudo-Experte von eigenen Gnaden! Medien laden kurioserweise diese Pseudo-Experten gerne ein, aber steht das nicht einer ausgewogenen Meinungsbildung im Wege? Eben!

Dr. med. Ulf Riker, Facharzt für Innere Medizin / Homöopathie / Naturheilverfahren / Vorsitzender des DZVhÄ Landesverbandes Bayern

In der PLURV sind bereits erschienen: