München, 3. September 2023. Dr. med. Ulf Riker, Vorsitzender des LV-Bayern, im Gespräch mit dem Hamburger Arzt Dr. med. Mirko Berger über die neue Webseite www.faktencheck-homöopathie.de. Dr. Berger ist Initiator dieser Seite, die unter anderem die Ergebnisse der Homöopathie-Forschung klar strukturiert darstellt.
Dr. med. Ulf Riker: Lieber Mirko, Du bist ja seit Langem sehr engagiert in der ärztlichen Homöopathie. Was war der Grund dafür, dass Du jetzt die neue Seite www.faktencheck-homöopathie.de aufgebaut hast? Wo hast Du deine Schwerpunkte gesetzt und worin unterscheidet sich die Seite von Angeboten der WissHom und des HRI?
Dr. med Mirko Berger:
Wir Homöopathen und unsere Patienten erleben tagtäglich nicht nur subjektiv die große Kraft der homöopathischen Behandlung. Ihre Wirksamkeit ist auch objektiv in einer Vielzahl klinischer Studien mit unterschiedlichem Design gut dokumentiert. Es liegen für ein einzelnes Therapieverfahren ungewöhnlich viele Studien vor, die zeigen, Homöopathie ist statistisch signifikant wirksamer als Placebo. Aktuelles Beispiel: Das Review von Hamre et al., eine Metaanalyse der vorliegenden Metaanalysen liegt z.Zt. als Preprint vor, schließt 310 RCT‘s ein – nur in einer einzigen Studie war die Homöopathie einer Placebobehandlung statistisch signifikant unterlegen.
Und mittlerweile zeigen auch qualitativ hochwertige Grundlagenexperimente mit diversen biologischen, physikalischen oder chemischen Modellen z.T. eindrucksvoll, dass ebenfalls statistisch signifikante Wirkungen potenzierter Substanzen nachgewiesen und die Ergebnisse repliziert werden können. Auch Hochpotenzen wirken nachweisbar anders als nicht potenzierte (Kontroll-) Substanzen. Die reichlich vorliegenden Studienergebnisse wurden bislang allerdings nirgendwo systematisch zusammengefasst und prominent veröffentlicht. Auf etlichen Webseiten, die sich der Homöopathie widmen, sind einzelne Studienergebnisse oder ihre Zusammenfassungen hier und da verstreut nachzulesen. Aber auch diese Darstellungen gehen meist unter in der Vielzahl von weiteren Informationen, Vereinsnachrichte, Seminarankündigungen o.ä. Das gilt auch für die Webseite von WissHom.
Bei dem HRI sind zwar viele Informationen pro Homöopathie und etliche Studienergebnisse zu finden, auch hier finden wir keine geordnete, systematische Übersicht und vor allem keine benutzerfreundliche Struktur der Webseite. Das macht es selbst für Homöopathen und Befürworter der Homöopathie schwer, einen fundierten Überblick über die Studiensituation zu gewinnen und Argumente gezielt mit Studienergebnissen zu unterlegen. Bei der Auseinandersetzung mit der Ärztekammer wegen der geplanten Streichung der Zusatzbezeichnung hatte ich Studienergebnisse mühsam zusammentragen müssen – da hätte ich mir eine Webseite gewünscht, die diese umfangreich und übersichtlich präsentiert. Und ich weiß von anderen Kollegen, die mich kontaktiert hatten, dass es ihnen ähnlich erging.
www.faktencheck-homöopathie.de widmet sich den Ergebnissen der Homöopathieforschung. Relevante Studien werden systematisch, nach verschiedenen Studientypen und z.T. auch nach Erkrankungen geordnet, dargestellt. Neben einer leicht „verdaulichen“ Zusammenfassung sind die Studien dann auch direkt verlinkt, ebenso wie weitere Zusammenfassungen und Kommentare anderer Autoren. Ein Kapitel geht auf die Qualität der Homöopathiestudien ein, auch im Vergleich zu konventionellen Studien. Der Stand der Grundlagenforschung wird ebenso ausführlich dargestellt. In einem weiteren Kapitel werden verschiedene Argumente pro Homöopathie zusammengetragen, Argumente von Kritiken entkräftet sowie vorhandene Dokumente, auf die sich
Kritiker immer wieder gerne beziehen (z. B. der Australienreport), infrage gestellt. Alle relevanten Aussagen sind mit Literatur belegt und der Stil ist betont sachlich gehalten. Die Webseite wurde professionell erstellt, sie ist klar und benutzerfreundlich strukturiert und mit vielen Bildern hübsch illustriert.
Ulf Riker: Das Narrativ der Homöopathie-Gegner ist ja hinlänglich bekannt: Nix drin, keine Studien, alles Placebo, also weg damit! An welche Zielgruppen wendet sich das „Faktencheck“-Angebot und welche Nutzung wünschst Du Dir?
Mirko Berger: Ich denke, dass viele Menschen gar nicht apriori gegen die Homöopathie eingestellt sind. Das von dir angesprochene Narrativ, wo nichts drin ist, könne auch nichts wirken, das von Kritikern sehr wirksam verbreitet wird, scheint allerding zunächst einmal durchaus plausibel zu sein. Und wenn man dann noch hört, dass es keine positiven Studienergebnisse gäbe, dann scheint daraus ein Schuh zu werden. Wir möchten es Interessierten ermöglichen, sich selbst ein umfassendes Bild von der Studienlage zur Homöopathie zu machen – und das einfach, ohne viele Stunden an diversen Stellen im Internet suchen zu müssen. Das betrifft ärztliche Kollegen und Apotheker ebenso wie Laien, Entscheidungsträger aus dem Gesundheitswesen oder Politiker. Wer www.faktencheck-homöopathie.de besucht, wird rasch den Eindruck gewinnen können, dass dieses Narrativ der Kritiker nicht zutrifft. Es ging uns darum eine Webseite zu schaffen, die
systematisch und umfänglich einen Eindruck von der Fülle der positiven Studienergebnisse vermittelt.
Ulf Riker: Wie soll das weitere Prozedere aussehen für die Fälle, dass neue Studien veröffentlicht werden?
Mirko Berger: Neue Studienergebnisse werden prominent auf der Startseite, unter dem Navigationspunkt „Was gibt‘s Neues?“ eingestellt. Auch weitere gut recherchierte und mit Literatur belegte Beiträge, die sich auf die Homöopathie-Debatte beziehen, werden veröffentlicht. Wir freuen uns über diesbezügliche Hinweise oder das Einreichen eigener Beiträge.
Ulf Riker: Was wünscht Du Dir von Deinem Berufsverband DZVhÄ für die Zukunft und wo sollten wir Homöopathen deiner Meinung nach unsere Schwerpunkte setzen?
Mirko Berger: Wie die Entwicklung zeigt, gibt es wohl nicht den einen Hebel, den es zu finden gilt und dann ist alles gut. Ich denke es gibt vier Säulen, die wir bei der Verankerung der Homöopathie im Gesundheitssystem beachten sollten:
- Eine qualitativ hochwertige Ausbildung.
- Gute Erfolge der Behandlung und die Bereitschaft von Patienten, darüber zu sprechen.
- Den Ausbau wissenschaftlicher Strukturen.
- Eine gute Öffentlichkeitsarbeit.
Das Thema Wissenschaft ist vielschichtig. Lange Zeit hat es gereicht, gute Ergebnisse in der Praxis zu erzielen. Das ist heute, in der Zeit von EbM, anders. Wenn wir darauf schauen, was in der Medizin an z.T. hochgefährlichem Unsinn getrieben wurde (und wird), ist die EbM sicher ein vernünftiger Weg. Jedenfalls dann, wenn sie auf guten und fairen Studien aufbaut, die dann auch korrekt interpretiert werden. Studien sind also durchaus ein wichtiges Thema für die Homöopathie. Es gibt aber auch Fragen, die wir verstärkt wissenschaftstheoretisch bearbeiten sollten, wie z.B. das aktuelle Thema Medizinethik, aber auch unsere ureigenen homöopathische Themen, wie z.B. das Konzept der Arzneimittelprüfung. Eine derartige wissenschaftliche Basis ist wohl heute
unverzichtbar, auch (oder gerade) für die Homöopathie.
Aus meiner Sicht gilt es allerdings heute mehr denn je, die Öffentlichkeitsarbeit zu stärken. Es kann nicht sein, dass Patienten, die erfolgreich homöopathisch behandelt wurden, darüber in der Öffentlichkeit oder gegenüber weiteren (Fach-)Ärzten nicht mehr berichten mögen. Meist wohl aus Sorge, dann in eine bestimmte (esoterische) Ecke gestellt zu werden, der sie sich gar nicht zugehörig fühlen. Aus dieser Ecke müssen wir die Homöopathie wieder herausholen. In diesem Sinne wendet sich www.faktencheck-homöopathie.de auch an die Öffentlichkeit, um die wissenschaftliche Grundlage der Homöopathie, die Vielzahl positiver Studienergebnisse und gute Argumente pro Homöopathie gebündelt nach außen hin und leicht zugänglich zu dokumentieren.
Letztlich geht es nicht ausschließlich um Studienergebnisse. Darüber hinaus gibt es noch andere charmante Vorteile, die für die Homöopathie sprechen und die wir kommunizieren sollten. Homöopathie kommt beispielsweise ohne Tierversuche aus und produziert keine toxischen Arzneimittelrückstände, die unsere Umwelt belasten – ein zunehmend relevantes Thema. Auch dazu findet man bei www.faktencheck-homöopathie.de einen ausführlichen Beitrag: „Zehn gute Gründe für Homöopathie.“ Homöopathie sollte wieder ihr positives Image bekommen, als wirksame Therapiemethode wahrgenommen werden, lange bewährt und gleichzeitig modern, mit relevantem Benefit für Patienten und Gesellschaft.
Ich denke, wir sollten nicht das Gefühl haben, dass wir uns angesichts der Attacken gegen die Homöopathie nur verteidigen müssen. Wir können die Situation auch als positive Anregung und Chance verstehen, unsere Methode noch besser zu fundieren und zu erklären.