Dr. Springer arbeitet seit 1984 als Arzt mit Zusatzbezeichnung Homöopathie in eigener Praxis in München. Er war Jahrzehnte als Dozent in der ärztlichen Weiter- und Fortbildung tätig, engagiert sich in ärztlichen Berufsverbänden, etwa im Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) und war Organisator wichtiger Großveranstaltungen wie etwa der „200 Jahr Feier Homöopathie“ 1996 in der Paulskirche zu Frankfurt oder des homöopathischen Weltärztekongresses 2005 in Berlin. 2012 wurde Wolfgang Springer das Bundesverdienstkreuz am Bande durch den Bundespräsidenten verliehen, überreicht durch den bayerischen Minister für Gesundheit und Umwelt, Dr. Marcel Huber. In der Laudatio hieß es: „Dr. Wolfgang Springer ist ein international bekannter und geachteter Arzt und Fortbilder. Durch seinen Einsatz für die Homöopathie in Deutschland hat er sich herausragende Verdienste erworben.“
Welche Bedeutung hat die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes für Sie?
Diese Verleihung war zunächst natürlich eine riesige Überraschung, die im Nachgang auch eine zunehmende Freude ausgelöst hat. Überraschend deshalb, weil eine solche Auszeichnung für einen homöopathischen Arzt weltweit eine sehr seltene bis fast singuläre Ausnahme darstellt. Entscheidend aber ist etwas anderes: denn damit war selbstredend auch eine gewisse Nobilitierung unserer Heilweise sowie eine ebensolche der gesamten homöopathischen Ärzteschaft unseres Landes verbunden. Das war dann letztendlich die eigentliche Freude und Botschaft.
Was können homöopathische Ärzte leisten?
Ich möchte Ihnen gerne eine kleinere, aber durchaus repräsentative Auswahl aufzeigen. Fangen wir mit etwas unspektakulärem an: die rezidivierenden Infekte der oberen Luftwege bei Kindern und Erwachsenen sind sehr häufig, fast immer viral bedingt und damit einer kurativen konventionellen Behandlung meist unzugänglich. Wir können diese im akuten Stadium zügig ausheilen und die Rezidivhäufigkeit drastisch reduzieren.
Migräne: die Schultherapie kann Migräne nicht ausheilen. Auch uns gelingt dies nicht in jedem Fall, aber wir können es grundsätzlich – die Schulmedizin kann es grundsätzlich nicht!
Akute und chronische Sportverletzungen: wenn sich z.B. Sportvereine zusätzlich der Expertise von homöopathischen Ärzten bedienen würden, wären manche Verläufe völlig anders und frei von Nebenwirkungen.
Heuschnupfen, Allergien, Lebensmittelunverträglichkeiten.
Akute und chronische Rücken- und Schulterschmerzen oder ähnliches. Was meinen Sie, wieviel Arbeit wir den orthopädischen Kollegen abnehmen könnten, wenn mehr Patienten von den Möglichkeiten der homöopathischen Arzneien in diesem Bereich wüssten.
Die sehr häufigen chronisch-rezivierenden Zystitiden der Patientinnen: Wir können die oft unbeeinflussbar erscheinende Neigung dazu ausheilen!
Klimakterische Beschwerden: Hitzewallungen, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen – auch depressive Erkrankungen außerhalb der Menopause.
Die bekannten atopischen Ekzeme vulgo Neurodermitis – die Homöopathie ist immer wieder in der Lage, diese Hautkrankheiten ohne Immunsuppressiva nachhaltig zu bessern oder auszuheilen.
Funktionelle Magen-Darmbeschwerden, sowie die meisten Virusinfekte sind im Allgemeinen einer kurativen Therapie seitens der Schulmedizin nicht zugänglich – wir können das!
Dann: häufig, aufgrund der demographischen Entwicklung sowie der zunehmenden Lebenserwartung ein drängendes Problem: die Schlafstörungen, Verwirrtheitszustände und Ähnliches bei alten Patienten in unseren Seniorenheimen und Pflegestationen. Der Kollege Michael Teut von der Charité in Berlin hat dazu eine Studie vorgelegt, die auch als Buch erschienen ist. Es wäre ein ungeheurerer Segen, wenn solche Institutionen z.B. über einen homöopathischen Konsiliardienst verfügen würden!
Und am Ende noch: ADS, ADHS und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen. Dazu gibt es die seit vielen Jahren bekannte Studie des Kollegen Heiner Frei aus Bern, die sogar im European Journal for Pediatrics veröffentlicht wurde.
Fazit: wir können nicht alles, geschweige denn alles besser, aber potenzierte Arzneien können ungeheuer viel! Was die Methode grundsätzlich kann, bestimmen die homöopathischen Ärzte und sonst niemand!
Wer sind die Gegner der Homöopathie und warum greifen sie die Homöopathie an?
Man muss verschiedenen Gruppierungen sowie einzelne handelnde Personen benennen und gegebenenfalls voneinander trennen und unterscheiden: fangen wir an mit den sogenannten Skeptikern, der GWUP, INH, Münsteraner Kreis und anderen.
Folgt man deren schriftlichen oder mündlichen Äußerungen, so muss man den zwingenden Eindruck gewinnen, dass es sich dabei mit einer fast absoluten Majorität um Zeloten handelt. Einer hat sich sogar zu der Aussage verstiegen, er wolle „die soziale Reputation der Homöopathie zerstören“. Das ist die Sprache Alexander Gaulands: „Wir werden sie jagen!“ Inakzeptabel, widerlich und absolut unvereinbar mit meinem menschlichen, ärztlichen und intellektuellen Niveau.
Die sogenannten Skeptiker kann man leicht entlarven: In der NZZ vom 11.7.2015 erschien ein kluger Artikel zu dem Thema von Prof. Manfred Schneider – ich darf einen Auszug daraus zitieren: „Das Wort Skepsis ist griechischer Herkunft und bezeichnet das präzise Hinsehen, die sorgfältige Untersuchung, die Prüfung der gewonnenen Erkenntnis. Die skeptische Haltung pflegt nicht den prinzipiellen Zweifel, sie ist nicht der Feind, sondern der besonnenere Freund der Überzeugung. Tatsächlich stellt der Skeptiker in Rechnung, dass er den Boden der Grundsätze, auf dem er steht, bisweilen wieder verlassen muss. Skeptisch ist eine Haltung, die mit Vorbehalten lebt und sich vorstellen kann, dass die errungene Einsicht, die getroffene Entscheidung überprüft und womöglich geändert werden muss.“
Damit sind die Mitglieder dieser Gruppe als das entlarvt, was sie sind: alles, nur keine Skeptiker. Was diesen Leuten fehlt, ist also jede Form von Unvoreingenommenheit. Diese ist im Übrigen immer auch eine Frage von Bildung.
Die nächste Gruppe sind die Dogmatiker: sie sitzen zuhauf in den sogenannten Wissenschaftsredaktionen vieler großer deutscher Tages- und Wochenzeitungen, in Magazinen wie Spiegel und Stern, sowie in manchen Fernseh- und Rundfunkredaktionen. Häufig fehlt in diesen meist von Sachkenntnis völlig ungetrübten Beiträgen nicht nur die oben zitierte, in jedem Diskurs unabdingbare Unvoreingenommenheit, sondern auch jene wohltuende Unaufgeregtheit, die Grundlage jeder Diskussion in einem respektvollen Umgang miteinander sein sollte, und welche z.B. häufig in Schweizer Tageszeitungen wohltuend aufscheint. Besonders wenig hilfreich haben sich dabei, weil Wiederholungstäter, zum Beispiel SZ und TAZ hervorgetan, zwei doch im Bereich der deutschen Printmedienlandschaft grundsätzlich gute und wichtige Publikationsorgane. Deren zwanghaft repetitive philippikahafte Artikel sind in Summe ihrer Inhalte und Botschaften einfach nur lächerlich. In der NZZ vom 5.11. dieses Jahres schrieb die Journalistin und Leiterin der „Nieman Foundation for Journalism“ an der Harvard University, welche auch mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde: „Journalisten sollten für etwas und nicht gegen etwas arbeiten.“ Dem ist nichts hinzuzufügen außer dem wunderbaren Diktum von Thomas Mann, das den genannten Dogmatikern den Spiegel vorhalten darf: „Dogmatismus ist die intellektuelle Form des Pharisäertums.“
Und natürlich gibt es unter unserer verehrten Gegnerschaft noch Einzelpersonen oder Kleingruppen wie Gesundheitsökonomen, Gaukler, Satiriker, manche Moderatoren oder Kollegen, die als Showmaster auftreten – inklusive einer Paulus / Saulus Homöopathin – grüne „Greenhorns“ und „Julis“, sowie einzelne Mitglieder mancher Parteien oder Institutionen, deren oft absoluter Mangel an Souveränität in manchen Statements bzw. Beiträgen aufgeleuchtet hat.
Wer uns von einem echten Diskurs über das Thema überlegt und grundsätzlich ausschließt, sollte wenigstens den Versuch machen, zu eigentlich selbstverständlichen Gepflogenheiten des Gegen- und Miteinanders zurückzukehren, weil sonst jede auch nur annähernd niveauvolle Diskussion grundsätzlich unterbleibt.
So gerieren sich ja auch manche Journalisten, als sei uns gegenüber ein investigativer Journalismus angezeigt, so als ob wir uns irgendwelcher Vergehen schuldig gemacht hätten. Wie wäre es, wenn diese Damen und Herren sich einmal investigativ darum kümmern würden, welcher Art und Provenienz samt etwaiger Geldgeber jene sind, die hinter dieser seit Jahren anhaltenden Kampagne stecken, deren versuchte Rufschädigung für jeden Teil der deutschen Ärzteschaft einen unappetitlichen Affront darstellen würde, so dass es zu einer Form von Gegenwehr kommt, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ausdrücklich mit einschließt? Was dabei auffällt ist ja, dass selbst gebotene Mindeststandards von der Gegenseite nicht eingehalten werden: in jedem Streit, Diskurs wie auch vor Gericht gilt immer noch die Grundregel „audiatur et altera pars“. Wer auch das für überflüssig hält, sollte endlich dazu übergehen, die Kriterien der Selbstwahrnehmung einmal reflektiert zu spiegeln.
Wie positionieren sich denn die Vertreter von Ärztegesellschaften und Institutionen in der Debatte?
Der Chef der KBV hat sich öffentlich gegen die Homöopathie und deren Kostenerstattung gestellt. Ein völlig unstatthaftes Prozedere, denn dieser hat gemäß Arbeitsplatzbeschreibung alle Kassenärzte zu vertreten, also auch die homöopathischen. Der Chefredakteur des Deutschen Ärzteblattes hat ein vergleichbares öffentliches Statement abgegeben. Seine Privatmeinung bleibt ihm wie allen anderen unbenommen, aber er ist in seiner Position Angestellter sowohl der Bundesärztekammer wie auch der KBV – diese sind nämlich die Herausgeber des Blattes – und hat in dieser Eigenschaft, noch dazu im Rahmen eines Editorials, einer solchen persönlichen Stellungnahme zu entraten.
Der IQWiG-Chef hält weitere Forschung zum Thema Homöopathie für gänzlich überflüssig und ignorabel. Was für eine Auffassung von Wissenschaft!
In der SZ vom 25.10.2019 erschien ein Artikel unter der Überschrift: „Der nächste Fortschritt. Untertitel: Fakten, Fakes und der blinde Fleck: Wissenschaftsskepsis und Wissenschaftsglauben sind gerade beide verbreitet – und beide falsch.“ Sehr lesenswert!
Wie lässt sich das Procedere der Anti-Homöopathie Kampagne beschreiben?
Im Züricher Tagesanzeiger vom 2.7.2019 erschien ein längerer Artikel mit der Überschrift „In den Kopf gehämmert“. Dabei ging es um den unter Psychologen bekannten „Illusory Truth Effect“. Er beschreibt nach meiner Ansicht wie unter einem Brennglas das Procedere der Zeloten unter unseren Gegnern, stellt also eine diagnostische Punktlandung dar, die man folgendermaßen beschreiben kann: Tatsachenverdrehungen, Halbwahrheiten, bewusste oder unbewusste sich perpetuierende Falschbehauptungen oder gar Lügen, werden mit dem immer gleichen Ziel ohne Unterlass wiederholt. Ziel ist es, diese Fehlinformationen der Bevölkerung medial bzw. mit Hilfe der sogenannten sozialen Medien solange „in den Kopf zu hämmern“, bis irgendwann ein nicht mehr marginal zu nennender Prozentsatz der Bevölkerung an deren Wahrheitsgehalt glaubt. Wir kennen das aus Trump-Country und inzwischen leider auch aus Brexit-Country. Ich darf daran erinnern, dass z.B. fast 25 Prozent der Amerikaner heute felsenfest davon überzeugt sind, dass Barack Obama niemals Präsident der Vereinigten Staaten hätte werden dürfen, da in Afrika geboren. Die Spaltung bzw. der gesellschaftliche Riss in Bezug auf die Homöopathie geht inzwischen durch Familien, Freundschaften jeglichen Alters und durch Partnerschafften und Ehen. Wir werden diese klimavergiftende Vorgehensweise immer mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln aufzeigen, analysieren und bekämpfen.
Glaubens-Krieg versus Wissens-Krieg – welchen Ausdruck hat die Sprache der Homöopathie-Debatte angenommen?
Homöopathie ist keine sanfte Medizin: Wer jemals auf eine potenzierte Arzneigabe eine sogenannte Erstreaktion oder Erstverschlimmerung – was übrigens nicht gleichbedeutend ist – erfahren hat, weiß darum. Und wer einmal dem Herstellungsprozess homöopathischer Arzneien beigewohnt hat, weiß es auch. Und: homöopathische Arzneimittel nimmt man nicht ein wegen fehlender Neben- sondern wegen vorhandener Hauptwirkungen.
Bei der öffentlichen Homöopathie-Debatte handelt es sich auch nicht um einen Glaubens-Krieg: erstens mag ich solche marsianischen Metaphern grundsätzlich nicht und zweitens ist die Begrifflichkeit dieser journalistischen und gebetsmühlenartig wiederholten Headline falsch: wenn überhaupt, handelt es sich allenfalls um einen Wissens-Krieg. Denn wir homöopathischen Ärzte wissen um die Heilwirkungen potenzierter Arzneien, wir wissen nur noch nicht ganz genau, wie dies vor sich geht.
… und die Patienten?
Die Beurteilung der Wirksamkeit durch die Betroffenen: sowohl im Cicero als auch in der TAZ wurde insinuiert, Patienten könnten gar nicht beurteilen, ob sie einer Placebo- oder einer Arzneiwirkung unterlägen. Was ist denn das für ein völliges Absprechen der Beurteilbarkeit eines Heilungsverlaufs? Wer denn bitteschön außer den Patienten, gerne auch in der Nachanamnese gemeinsam mit dem homöopathischen Arzt, soll denn so etwas beurteilen dürfen? Etwa auch Journalisten? Das ist doch nur anmaßend und absolut lächerlich.
Welches Fazit ziehen Sie?
Wir fordern gerade die Jugend auf, sich in jeglicher Debatte mit wohltuender Unvoreingenommenheit mit der Thematik zu beschäftigen und dazu – und das gehört sich – die seriösen Vertreter und Standesvertreter in den Diskurs mit einzubeziehen, diese anzuhören und sich erst dann ein Urteil zu bilden, statt in Vorverurteilungen zu verharren. Was wir nicht brauchen, sind die versprengten, oft im Thema völlig unbehausten Parteinehmenden, die sich wie ausgehungerte Rottweiler so in den Streit verbeißen, dass sie sich für die einzig legitimen Vertreter einer für alle gültigen Wissenschaftsdefinition und deren Theoreme halten.
Wir homöopathische Ärzte sehen uns seit Jahren einem teils fast jakobinischen Furor sowie einem geradezu an Dostojewskis „Großinquisitor“ gemahnenden Gesinnungsterror bezüglich einer Meinungsdiktatur jener ausgesetzt, die sich nur dort sehend glauben, wo sie doppelblind vorgehen.
Peter Sloterdjik hat seinem Festvortrag zum Jubiläum „200 Jahre Homöopathie“ in der Frankfurter Paulskirche den Titel „Die Andersheilenden“ gegeben – eine gültige und präzise Beschreibung unseres Tuns.
In einem werden wir geduldig bleiben: seit Aulus Gellius wissen wir, „Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit“.
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Das Interview führte Christoph Trapp / München, 20. November 2019