Die Inzidenzzahlen der vierten Corona-Welle steigen, eine neue Mutante ist im Anmarsch, ein neuer Gesundheitsminister noch nicht im Amt, Biontech wird rationiert, die Nerven liegen blank. Da liegt es offenkundig nahe, einen Sündenbock zu suchen, der am nicht ausreichenden Impftempo „schuld“ ist: die Homöopathie.
Das Futter hierfür liefert unter Anderem eine Studie der Ostbayerischen Technischen Hochschule in Regensburg: sie hat herausgefunden, dass höher gebildete Frauen signifikant schlechter informiert seien, aber andererseits die Impfbereitschaft mit der Höhe des Schulabschluss steige. (Also wie jetzt…?) Außerdem neigten homöopathie-affine Eltern zu geringerer Impfbereitschaft ihrer Kinder gegen Covid-19, vor Allem die Mütter (Also sind unter Impfgesichtspunkt Väter die besseren Mütter?). Und, hoppla: die zufallsbasierte Telefonbefragung fand zu einem Zeitpunkt statt, wo ein Corona-Impfstoff noch gar nicht auf dem Markt und die Pandemie noch gar nicht ihren derzeitigen Höhepunkt erreicht hatte. Es wird auch nicht hinterfragt, ob man Telefonantworten zur Grippeimpfung einfach auf eine Situation übertragen darf, in der ein komplett anderes, neues Impfprinzip (mRNA) zum Einsatz kommt. Wäre es nicht denkbar, dass sich unter geänderten Umständen auch Meinungen ändern? Könnte es sein, dass wir im Krisenmodus allzu kurzschlüssig denken und reagieren? Und einfach mal auf „die Homöopathie“ draufschlagen ohne zu sagen, ob damit nun die Ärztinnen und Ärzte gemeint sind, oder Heilpraktiker, oder mündige Menschen mit dem Wunsch, im Krankheitsfall neben konventioneller Medizin auch die Homöopathie in Anspruch zu nehmen? Es ist einfach und billig, „die“ Homöopathie in denselben Sack zu packen wie Querdenkertum oder Coronaleugnung. Es bildet aber die Realität nicht ab.
Homöopathisch tätige Ärzt*innen impfen
Landauf, landab beteiligen sich homöopathisch tätige Ärztinnen und Ärzte in ihren Praxen an der Impfkampagne, man muss es nur recherchieren, damit ein ausgewogenes Bild entsteht. Eine Diskussion über pro und contra muss jederzeit möglich sein, differenzierte Aufklärung ist die Voraussetzung für Impfmotivation, und hat nicht Richard David Precht recht, wenn er „emotionale und moralische Abrüstung“ empfiehlt? Es gibt Ärztinnen und Ärzte mit Zusatzqualifikation Homöopathie, die sich dem Thema sehr pragmatisch nähern und einfach tun, was sie für richtig halten: impfen zum Beispiel! Im Donaukurier (bitte die Zeitungsseite bis in die Mitte herunterscrollen) erzählen sie, warum sie ihren Patient*innen die Impfung empfehlen. Sie appellieren eindringlich an alle, die sich bisher noch nicht impfen haben lassen, vertrauenswürdige Ärzte aufzusuchen, sich beraten zu lassen und die Impfung gegen Corona nachzuholen.
Dr. med. Ulf Riker, Vorsitzender des DZVhÄ Landesverbandes Bayern
Mehr zum Thema: DZVhÄ Standpunkt: Homöopathie und Covid-19