Dr. Ulf Riker, Vorsitzender LV Bayern, Inzternist / Homöopathie & Naturheilverfahren
Tina Turner ist tot. Sie starb „nach langer schwerer Krankheit“. In Erinnerung wird sie uns bleiben als Power-Frau und leidenschaftliche Künstlerin, ihre Lebensgeschichte als eine von Lebenswillen und Emanzipation. Erste Medienberichte (z.B. Daily Mail) sprechen davon, dass die Rock-Legende im Alter von 83 Jahren eines natürlichen Todes gestorben ist. Allerdings ist auch bekannt, dass sie an Bluthochdruck, einer vermutlich dadurch bedingten Nierenschädigung sowie zuletzt an Darmkrebs litt.
Einen Tag nach ihrem Tod twittert Karl Lauterbach über eine „beeindruckende Beschreibung von Tina Turner, wie Homöopathie ihre Nieren zerstört hat“. Ein bisschen erinnert das Tempo, mit dem der Gesundheitsminister den Tod Turners mit Homöopathie in Verbindung bringt an die Reaktionen offizieller Organe in autoritär geführten Staaten, die nach einem Terroraschlag der Öffentlichkeit direkt die Täter vorführen und eine härtere Gangart gegen die Gruppierung bekanntgeben.
Lauterbach „weiß“, dass die Homöopathie „schuld“ ist. Aber woher weiß er das? Eine Homepage („show your kidneys love“) dient ihm als Quelle. Dabei handelt es sich nach Recherche der Berliner Zeitung um die Seite des „Europäischen Nierenforum“ (Sitz in Belgien), also einer Art Lobbyorganisation. Hier erzählt Tina Turner selbst von Bluthochdruck, Dialyse und Nierentransplantation: „Meine Nieren sind Opfer davon, dass ich leugne, dass mein Bluthochdruck eine Behandlung mit Schulmedizin braucht“. Sie schreibt auch von einer „fatalen Abneigung gegen Medikamente“ und davon, dass ihr deshalb ein Freund einen homöopathischen Arzt in Frankreich empfohlen habe. Die Therapie war rückblickend nicht erfolgreich. Unterschlagen wird von Lauterbach, dass Turner auch Folgendes schreibt: „Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine Erklärung darüber bekommen zu haben, was Bluthochdruck bedeutet… Ich hielt Bluthochdruck für meinen Normalzustand“. Ändert dieses Bekenntnis etwas an Lauterbachs suggeriertem Zusammenhang zwischen Homöopathie und dem Tod Tina Turners?
Allerdings! Ärztliche Homöopathie beruht auf der verantwortungsvollen Verknüpfung von medizinischem Fachwissen, das uns Forschung und Wissenschaft zur Verfügung stellen, aus ärztlicher Praxiserfahrung sowie aus ergänzender homöopathischer Zusatzqualifikation. In einer Zeit, die vom mündigen Patienten ausgeht und „shared decision making“ als adäquates Prozedere in der Arzt-Patienten-Kommunikation befürwortet ist Aufklärung selbstverständlich! Das gilt erst recht für Krankheitern wie Bluthochdruck oder Niereninsuffizienz, die meist erst in fortgeschrittenen Stadien Symptome auslösen. Was ein Patient nicht wissen kann und was ihm seine Ärzte sagen müssen: Lieber Patient, Du sitzt auf einer tickenden Zeitbombe, Du musst die entschärfen, und zwar zeitnah. Und dafür braucht es Medikamente, leider! Aber wenn Du aus der unmittelbaren Gefahrenzone heraus bist, dann können wir gerne versuchen, auf dem weiteren Weg die Medikamente durch Homöopathie schrittweise zu ersetzen. Dein Blutdruck muss aber auch in dieser Phase so gut bleiben, wie er vorher unter den Medikamenten war!
Ganz offensichtlich ist diese Aufklärung über das Wesen des Bluthochdruckes und möglicher Organfolgeschäden nicht erfolgt, zumindest nicht so, dass es zu einer stabilen Compliance geführt hätte. Dieses Manko ist nicht der Homöopathie als Methode zuzuschreiben, sondern daran waren vermutlich alle beteiligten Ärzte inklusive des homöopathischen beteiligt. Vielleicht ist es für Ärzte auch nicht ganz einfach, einer Patientin mit der Ausstrahlung einer Tina Turner medikamentöse Grenzen zu setzen. Auf jeden Fall ist es unangemessen und pietätlos, einen Tag nach dem Tod eines Menschen dessen Krankengeschichte für die eigenen politischen Zwecke zu instrumentalisieren.
Berücksichtigen sollte Lauterbach nach seinem medialen Schnellschuss außerdem, dass es viele tausende Patientinnen und Patienten in unserem Land gibt, die an denselben oder ähnlichen Krankheiten leiden und auch ohne jeglichen Kontakt mit Homöopathie schwere Verläufe erleiden müssen, nicht wenige davon mit Todesfolge. Am Ende bleibt dann oft die Frage: ist ein Patient an der Krankheit und ihren Folgen, unter den Nebenwirkungen einer Therapie, an einer falsch gewählten Behandlung oder aus Altersgründen verstorben.
Ein Letztes: zum ärztlichen Handeln gehört auch der Respekt den Patientinnen und Patienten gegenüber, also auch im Hinblick auf ihre freie Willensbildung und Entscheidung für oder gegen diese oder jene Therapieform. Eine durch Leitlinien getriggerte Therapiepflicht ist in unserem Gesundheitssystem nicht vorgesehen, eine Aufklärungspflicht sehr wohl. Diesem Wechselspiel von Freiheit und Verantwortung stellen sich Ärzte Tag für Tag, auch diejenigen, die Homöopathie anbieten!